Für viele Beschäftigte hat der Mindestlohn eine deutliche Anhebung der Gehälter bedeutet. Der von CDU/CSU und der Arbeitgeberlobby vorausgesagte Untergang des Abendlandes ist ausgeblieben. Aber dieses Gesetz hat deutliche Mängel. Zum einen die viele Ausnahmeregelungen. Der Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose hat das Forschungsinstitut IAB gerade erst ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Die Ausnahme hätte keinerlei positive Wirkung gezeigt. Im Gegenteil: Das IAB spricht von diskriminierenden und demotivierenden Regelung. Betroffene müssen trotz Arbeit weiter über das Hartz-System ihren Lohn aufstocken. Das Gesetz ist schlampig formuliert. Dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den Mindestlohn angerechnet werden kann, ist allein auf die sondern die unpräzise Formulierung im Gesetz zurückzuführen. Der Mindestlohn von 8,50 Euro ist zudem deutlich zu niedrig. Die Antwort des Ministeriums für Arbeit und Soziales auf unsere Kleine Anfrage hat bestätigt, dass der Mindestlohn für viele nicht einmal für das Mindeste im Leben reicht. Das waren die Gründe, warum wir diesem Gesetz damals nicht zugestimmt haben. Und unsere Argumente waren richtig!
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1. Januar 2015 haben wir den Mindestlohn.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Für viele bedeutet er mehr Geld. Aber das Gesetz über den Mindestlohn hat deutliche Mängel: Viele sind vom Mindestlohn ausgenommen. Der Mindestlohn ist deutlich zu niedrig. Das Gesetz ist schlampig formuliert.
(Beifall bei der LINKEN – Bernd Rützel (SPD): Das Gesetz ist was?)
– Es ist schlampig formuliert, Kollege Rützel.
(Bernd Rützel (SPD): Ach, Klaus!)
Unsere Argumente, die wir damals vorgebracht haben, waren richtig. Wir haben nämlich von Anfang an gesagt – Kollege Rützel, jetzt wird es spannend -, dass definiert werden muss, was der Mindestlohn ist, wie er sich zusammensetzt, wie er sich berechnet. Die Regierung – ihr von den Sozialdemokraten habt da mitgemacht – hat das ignoriert.
Jetzt haben wir den Salat: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den Mindestlohn angerechnet werden können.
(Daniela Kolbe (SPD): Aber nur in manchen Fällen!)
Das Problem ist nicht, dass das Gericht so entschieden hat; das Gericht hat nach der Gesetzeslage entschieden. Aber Sie haben ein Gesetz definiert, das es möglich macht, dass Weihnachts- und Urlaubsgeld auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Das ist Unfug, das muss geändert werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist der Inhalt unseres Antrags, Kollege Rützel.
Ich zitiere, damit man es nicht vergisst, aus unserem Antrag vom 3. März 2015. Da haben wir gefordert – ich zitiere -:
Das Mindestlohngesetz dahingehend zu präzisieren, dass der Mindestlohn dem reinen Stundenentgelt ohne Zuschläge entspricht. Darüber hinausgehende Entgeltbestandteile, wie zusätzliches Monatsgehalt oder Urlaubsgeld, sind neben dem Mindestlohn zu zahlen.
Das haben Sie im Gesetz nicht definiert, und jetzt haben wir die Probleme. Korrigieren Sie Ihren Fehler, und stimmen Sie unserem Antrag zu. Dann ist wenigstens dieser Mangel beseitigt.
(Beifall bei der LINKEN)
In dem Zusammenhang können Sie dann auch gleich Ihre Ausnahme für Langzeitarbeitslose streichen. Für Langzeitarbeitslose ist der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten nach einer Einstellung nicht zwingend. Laut Gesetz hätte die Bundesregierung spätestens zum 1. Juni 2016 diese Regelung auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen müssen, sie hat es aber nicht gemacht. Es steht aber so im Gesetz.
(Bernd Rützel (SPD): Haben wir gemacht!)
– Ach, geh, jetzt hörts doch auf! Nichts habt ihr gemacht. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Die Bundesregierung hat nichts vorgelegt. Das ist doch Fakt. Das bedeutet, dass die Bundesregierung die Gesetze, die sie selbst macht, nicht mehr ernst nimmt, und das Parlament auch nicht. Sonst hätte zumindest ein Bericht vorgelegen.
Jetzt gibt es einen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu diesem Thema. Das Institut hat Folgendes festgestellt: Die Ausnahmen für Langzeitarbeitslose haben schlichtweg keine positive Wirkung – null positive Wirkung.
(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Hört! Hört!)
Im Gegenteil: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung spricht von diskriminierenden und demotivierenden Regelungen. Betroffene müssen trotz Arbeit weiter über das Hartz-System ihren Lohn aufstocken.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich weiß ja, dass nicht all das, was im Gesetz steht, von euch gewollt war. Aber jetzt habt ihr die Chance, mit einer Zustimmung zu unserem Antrag diesen Fehler zu korrigieren.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
Nehmt sie doch wahr!
(Beifall bei der LINKEN – Katja Mast (SPD): Klaus, du bist doch kein Politikanfänger!)
Darum geht es. Wenn ihr es nicht macht, muss ich annehmen, ihr wollt es so, ihr wollt, dass die Arbeitslosen weiterhin sechs Monate vom Mindestlohn ausgenommen werden können, und das ohne jeden Sinn.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Jetzt kommen wir zur Höhe des Mindestlohns. Das ist vor dem Hintergrund der Debatten der letzten Tage auch nicht ganz uninteressant. Ein Grund, warum wir gegen den Mindestlohn gestimmt haben, war seine Höhe. 8,50 Euro sind deutlich zu wenig.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber auch von der CDU/CSU, bestätigt uns das Ministerium selber, dass wir recht hatten, dass der Lohn zu niedrig ist. Wir haben gefragt, wie hoch der Mindestlohn sein müsste, damit er das anerkannte durchschnittliche Existenzminimum nach dem Hartz-System für einen Single ohne Kinder abdeckt. Es ist ja das Mindeste, dass der Mindestlohn das abdeckt, was ein Single mindestens zum Leben braucht – deswegen heißt er ja auch Mindestlohn. Was hat uns nun das Ministerium bestätigt? Es hat uns bestätigt, dass der Mindestlohn nicht einmal für das Mindeste reicht – für die Mehrheit derer, die im Westen wohnen und sehr hohe Mieten zahlen müssen. Aber es ist ja wohl der Sinn, dass der Lohn so hoch ist, dass man noch die Miete zahlen kann. Auch als Mindestlöhner muss man doch noch anständig wohnen können, oder nicht?
(Beifall bei der LINKEN)
Insofern sage ich: Die geringe Höhe des Mindestlohns führt dazu, dass auch hier die Betroffenen weiter aufstocken müssen, und zwar nicht nur in Mietpreishochburgen wie München oder Hamburg, sondern in den meisten Kommunen der westlichen Bundesländer.
(Ralph Lenkert (DIE LINKE): In Thüringen auch!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir haben, ist nicht ein Mindestlohn; es ist ein Mangellohn. Es wird Zeit, dass wir das ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen, dass der Mindestlohn deutlich angehoben wird, und zwar unabhängig von den ungefähr 30 Cent, die gerade im Gespräch sind. Es wäre notwendig, dass wir per Gesetz die Basis erhöhen, an der die Mindestlohnkommission dann ansetzen kann, wenn sie über die Erhöhung entscheidet.
Auch angesichts der Tatsache, dass die Rente der Rentnerinnen und Rentner, die vorher den Mindestlohn erhalten haben, weit unterhalb der Grundsicherung im Alter liegt – wir wissen, dass der Mindestlohn bei über 11 Euro liegen müsste, damit wir das ausgleichen können -,
(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): 11,68 Euro!)
sage ich: Sie haben zwar einen Mindestlohn vereinbart, aber er ist leider ein Mangellohn geblieben. Mit unseren Anträgen haben Sie jetzt die Chance, die Mängel zu beseitigen.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
(Beifall bei der LINKEN)