Rede: Gnadenlose Ausbeutung junger Beschäftigter stoppen
Rede: Gnadenlose Ausbeutung junger Beschäftigter stoppen

Rede: Gnadenlose Ausbeutung junger Beschäftigter stoppen

Gerade junge Beschäftigte sind von prekärer Beschäftigung betroffen. Fast die Hälfte aller Beschäftigten unter 25 Jahren arbeitet zu einem Niedriglohn. Bei jenen, die in Leiharbeit arbeiten sind es sogar 75 Prozent. Nahezu ein Viertel der jungen Beschäftigten unter 25 arbeiten in einem befristeten Job. Bei Neueinstellungen bekommen zwei von drei jungen Frauen nur einen befristeten Arbeitsvertag. Für diesen Umstand gibt es keine logische Begründung. Den Unternehmen in der BRD geht es ausgezeichnet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen von 2000 bis 2014 um satte 60,2 Prozent zugenommen. Trotzdem nehmen wir es seit Jahren hin, dass insbesondere jungen Menschen mit solchen prekären Arbeitsverhältnissen die Chance für eine vernünftige berufliche Entwicklung verbaut wird; von einer planbaren Familiengründung ganz zu Schweigen. Wir brauchen eine gravierende Änderung der Gesetzgebung, um diesen Zustand zu beenden!

Meine Rede im Wortlaut:

Klaus Ernst (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum dulden wir eigentlich in den Betrieben Zustände, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Menschen sehr unterschiedlichen Regelungen bezüglich ihrer Arbeit unterliegen, obwohl sie dieselbe Arbeit machen? Warum schauen wir nur zu? Nun bin ich seit zehn Jahren Mitglied des Bundestags, und genauso lange diskutieren wir über dieses Thema. Aber ich kann hier keinen Fortschritt erkennen.

Gott sei Dank unterliegt die Mehrheit noch vernünftigen Arbeitsbedingungen. Was sind vernünftige Arbeitsbedingungen? Die betreffenden Menschen sind in unbefristeten Arbeitsverhältnissen angestellt und haben einen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber, bei dem sie auch arbeiten, und nicht mit einem anderen Arbeitgeber. Es handelt sich um Arbeitsverhältnisse, die in der Regel noch einigermaßen anständig bezahlt werden, obwohl nicht mehr alle der Tarifbindung unterliegen. Wir wissen aber auch: Immer mehr insbesondere junge Beschäftigte haben nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag – und das oft mehrfach hintereinander -, ohne dass es dafür auch nur den geringsten sachlichen Grund gibt. Wie wir alle wissen, haben insbesondere junge Menschen Werkverträge und müssen unter schlechteren Bedingungen arbeiten als andere Beschäftigte, die im Betrieb dieselbe Tätigkeit verrichten. Des Weiteren ist eine Vielzahl junger Menschen bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Von Leiharbeit sind gerade junge Menschen betroffen.
Es gibt für diesen Umstand keine logische Begründung. Den Unternehmen in der Bundesrepublik geht es ausgezeichnet. Geradezu verzückt teilt uns die Bundesregierung immer wieder mit, wie gut es unserem Land diesbezüglich geht. Um satte 60,2 Prozent haben die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2000 bis 2014 zugenommen. Warum akzeptieren wir dann eigentlich eine Gesetzgebung, die die Arbeitgeber geradezu auffordert, ihre Belegschaften zu spalten, und zwar in die normal Arbeiten-den und die prekär Arbeitenden? Warum akzeptieren wir das? Warum akzeptieren wir, dass Randbelegschaften existieren, die unsichere Arbeitsverhältnisse haben, die schlechter bezahlt werden und die in der Krise als erste ihren Job verlieren? Wir werden bei VW erleben, dass die ersten Leidtragenden in diesem Unternehmen die befristet Beschäftigten oder auch die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sein werden. Warum akzeptieren wir solche Verhältnisse? Wir sind der Gesetzgeber. Wir könnten das ändern. Warum tun wir das eigentlich nicht, meine Damen und Herren?

Insbesondere junge Menschen sind betroffen; ich habe es gesagt. Ein Viertel der Beschäftigten unter 25 Jahren hat nur noch einen befristeten Job. Bei jungen Frauen ist es so, dass bei neuen Arbeitsverhältnissen von drei zwei nur noch befristet eingestellt werden. Das sind zwei Drittel. Wir brauchen gravierende Änderungen in unserer Gesetzgebung, um diesen Zustand zu beenden. Sie sind die Regierung. Deshalb bitte ich Sie: Machen Sie in dieser Frage endlich einmal Ihren Job, und warten Sie nicht einfach ab, dass die Zeit vergeht!

Ähnliche Verhältnisse haben wir in der Leiharbeit. Seien Sie doch einmal ehrlich. Sie wissen ganz genau, dass das eigentliche Ziel von Leiharbeit Lohndumping ist. Nein, ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie so dumm sind, dies nicht zu erkennen. Das wissen Sie. Sie machen trotzdem nichts dagegen. Sie wissen, dass das eigentliche Ziel von Leiharbeit ist, Arbeitnehmer leichter aus dem Betrieb zu entfernen, wenn das Unternehmen es möglicherweise will, leichter als andere. Das ist das Ziel von Leiharbeit. Sie, meine Damen und Herren, machen nichts dagegen.

Was Sie jetzt bei der Leiharbeit planen – ich möchte Ihnen das mit aller Deutlichkeit sagen -, ist nichts anderes als Etikettenschwindel.
Dass erst nach neun Monaten gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten soll, ist Etikettenschwindel, wenn man weiß, dass 54 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse weniger als drei Monate dauern. Ich brauche nicht nach neun Monaten gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu fordern; denn dann sind die Arbeitnehmer ja nicht mehr da. Für wie dumm halten Sie eigentlich die Bevölkerung dieser Republik?
Wenn Sie die Überlassungsdauer bei der Leiharbeit auf 18 Monate beschränken wollen, dann ändert das überhaupt nichts an dem Problem, wenn man weiß, dass nur 13,8 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse länger als 18 Monate dauern. Mein Gott, was machen Sie da eigentlich für einen Unfug? Deswegen: Hören Sie auf mit diesem Quatsch!

Was wir brauchen, ist eine klare und deutliche Einschränkung der Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse zu befristen. Was wir brauchen, ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit und ein 10-prozentiger Flexibilitätszuschlag bei Leiharbeit wie in Frankreich.
Darüber hinaus brauchen wir die Regelung, dass bei Scheinwerkverträgen die Beweislast umgekehrt wird. Das Unternehmen muss beweisen, dass es sich nicht um einen Scheinwerkvertrag handelt, nicht der einzelne Beschäftigte, der immer in einer schlechteren Situation ist.

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Verhältnisse wirklich ändern wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu. Was Sie in der Pipeline haben, ist nichts anderes als heiße Luft. Hören Sie mit diesem Quatsch auf!

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