Rede: „Inhalte und Art des Zustandekommens von CETA inakzeptabel“
Rede: „Inhalte und Art des Zustandekommens von CETA inakzeptabel“

Rede: „Inhalte und Art des Zustandekommens von CETA inakzeptabel“

Allein die Art des Zustandekommens von CETA und TTIP ist ein Grund, diese Abkommen abzulehnen. Abgeordnete hatten keinerlei Möglichkeit, sich inhaltlich einzubringen. Auch der Dokumentenzugang ist nach wie vor nicht gewährleistet. Aber auch inhaltlich ist CETA nicht akzeptabel. Wir wollen keine Schiedsgerichte mit Sonderklagerechten für Konzerne, keine Gefährdung unserer Standards und kein Unterlaufen des europäischen Vorsorgeprinzips!

DIE REDE IM WORTLAUT:

 

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich habe hier ein Argument gehört, Herr Hauptmann, das so daneben ist, dass ich darauf eingehen muss. Sie sagen, wenn man den Antrag annähme, würde man ausländische Investitionen verhindern. Fakt ist: Wir haben momentan kein Handelsabkommen mit Kanada – auch keines mit den USA -, und trotzdem haben wir eine Vielzahl von Investitionen der Kanadier bei uns und von uns bei den Kanadiern. Ich bitte Sie, doch wenigstens die Realität zur Kenntnis zu nehmen und hier nicht so einen Unsinn zu erzählen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Johannes Singhammer:

Herr Kollege Ernst, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hauptmann?

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Auf die freue ich mich ganz besonders.

Mark Hauptmann (CDU/CSU):

Herr Kollege Ernst, eines werden wir natürlich nicht infrage stellen: Das sind die Realitäten. Natürlich gibt es Investitionen. Das will doch gar kein Mensch bestreiten. Es geht aber um das Mehr an Investitionen, um zusätzliche Impulse, darum, Zölle abzuschaffen,

(Andrej Hunko (DIE LINKE): Lesen Sie mal die Studien dazu!)

weltweit gemeinsame Standards zu etablieren.

Schauen Sie sich das doch bei den Automobilen an: Wir haben heute hohe Zölle, wenn Automobile deutscher Unternehmen aus den USA nach Deutschland zurückgeführt werden, und wenn deutsche Lkws nach Nordamerika exportiert werden, fällt eine Zollbelastung von 25 Prozent an.

(Zurufe von der LINKEN und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sorgt natürlich dafür, dass wir keine Mehrinvestitionen haben. Von daher frage ich: Wie halten Sie es mit zusätzlichen Mehrinvestitionen, durch die übrigens auch mehr Arbeitsplätze entstehen würden?

(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach Gott, die alte Leier! – Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh, Mann!)

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Herr Hauptmann, ich glaube, Sie haben den Sinn dieser Handelsabkommen noch gar nicht richtig begriffen. Es geht nicht nur um den Abbau von Zöllen. Das wären ja die tarifären Handelshemmnisse.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Das ist ein Baustein!)

Sinn der Handelsabkommen ist der Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Mark Hauptmann (CDU/CSU): Das ist ein Baustein!)

Nichttarifäre Handelshemmnisse sind nach dem allgemeinen Verständnis Regelungen, Herr Hauptmann:

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Und Standards!)

Regelungen des Arbeitsschutzes, Regelungen des Umweltschutzes, Regelungen des Verbraucherschutzes. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, welche Chemie in dem jeweiligen Land verwendet werden darf und welche nicht, welche Substanzen in Medikamenten zugelassen werden und welche nicht. Das ist der eigentliche Sinn dieser Handelsabkommen.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es geht also überhaupt nicht um Ihre Zölle. Die Zölle kann man von mir aus abbauen; das ist nicht das Problem. Es geht darum, dass diese Handelsabkommen dazu dienen sollen, die Standards

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Hochzuhalten!

in Europa, in Kanada und übrigens auch in den USA abzusenken.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Quatsch! Herr Ernst, das ist eine Lüge!)

Ich würde Sie bitten, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

– Ich werde Ihnen das gleich noch beweisen.

Jetzt kommen wir zur Transparenz.

(Zuruf des Abg. Mark Hauptmann (CDU/CSU))

– Sie können weiter brüllen, Sie können aber auch noch eine Frage stellen. Ich bin gerne bereit, sie zu beantworten.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Totaler Blödsinn!)

Meine Damen und Herren, gestern waren wir mit dem Ausschuss für Wirtschaft in Brüssel. Dort haben wir Frau Malmström getroffen. Sie hat gesagt, dass die Transparenz, also was die Einbeziehung der Bürger angeht, bei diesen Fragen vorbildlich sei.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Da habe ich wirklich gedacht: Sie lebt auf einem anderen Stern.

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Du lebst auf einem anderen Stern!)

Das CETA-Abkommen ist – das wissen Sie alle, die Sie hier sitzen – ohne jegliche Beteiligung der europäischen Parlamente verhandelt worden. Keiner, der hier sitzt, auch Sie nicht, hat die Chance gehabt, auch nur ein Komma oder einen einzigen Buchstaben in diesen Verträgen zu beeinflussen. Jetzt gucken wir einmal, was unser Parlamentspräsident, Herr Lammert, dazu gesagt hat. Er hat gesagt – Zitat -:

Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Bundestag einen Handelsvertrag zwischen der EU und den USA

– darum ging es in dem Fall –

ratifizieren wird, dessen Zustandekommen er weder begleiten noch in alternativen Optionen beeinflussen konnte.

Was bei TTIP gilt, das muss doch wohl auch für CETA gelten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei CETA hat er nichts beeinflussen können. Wenn Sie den Bundestagspräsidenten ernst nehmen und nicht zu einer Witzfigur machen wollen, dann müssen wir als Parlament unsere Rechte ernst nehmen und dürfen uns nicht kleinmachen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann müssen wir CETA ablehnen, weil wir nicht beteiligt waren.

Es gibt übrigens einen sehr aktuellen Vorschlag – ich weiß nicht, ob Sie ihn schon gesehen haben -: Es sollen Leseräume eingerichtet werden, nicht mehr in der Botschaft der USA, sondern in Ministerien. Haben Sie das einmal gelesen? Die Regeln, die für diejenigen vorgesehen sind, die Dokumente einsehen wollen, erinnern mich an die Regeln, die gelten, wenn man einen Einsitzenden besucht: Sicherheitspersonal muss anwesend sein; Name, Besuchszeit und konsultierte Dokumente – Texte, die die Europäische Union verhandelt – werden notiert; Handys und sonstige elektronische Geräte müssen abgegeben werden; eine Verpflichtungserklärung zur Einhaltung der Regeln muss unterschrieben werden;

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Alles sinnvoll!)

es ist nicht erlaubt, Notizen zu machen; und über diese Informationen darf nicht gesprochen werden. Meine Damen und Herren, da gibt es nur noch eine Steigerung: Panzerglas zwischen dem Besucher und dem Dokument.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das soll transparent sein?

Im Übrigen empfehle ich Ihnen, auch meinen Kollegen von der SPD, die gestern dabei waren: Schauen Sie sich die heutige Stellungnahme der Europäischen Union an. Darin steht, dass das gar nicht für die Abgeordneten gilt. Es gilt für die Minister; es gilt für das Regierungspersonal. Diese sollen sich behandeln lassen, als würden sie einen Verbrecher besuchen, wenn sie Dokumente einsehen wollen. Wenn wir in diesem Parlament noch ein bisschen Selbstbewusstsein haben, dann müssen wir solche Vorgänge ablehnen; denn sonst machen wir uns zum Büttel der Europäischen Union.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Johannes Singhammer:

Herr Kollege Ernst, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wiese?

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Sehr gerne.

Dirk Wiese (SPD):

Sehr geehrter Herr Kollege Ernst, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich diskutiere immer gerne mit Ihnen.

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Das ist meistens sinnlos!)

Wir waren gestern zusammen in Brüssel und haben gehört, dass Kommissarin Malmström gesagt hat, dass sich im Hinblick auf den Zugang von uns Abgeordneten etwas ändern soll. Ich gebe Ihnen in diesem Punkt völlig recht:

(Andrej Hunko (DIE LINKE): Hört! Hört!)

Das, was jetzt auf den Weg gebracht worden ist, ist noch nicht befriedigend. Auch ich möchte die Dokumente gerne bei mir im Büro auf meinem Schreibtisch liegen haben.

(Dr. André Hahn (DIE LINKE): Kriegen wir ja nicht!)

Auch ich möchte nicht als Bittsteller momentan zur US-Botschaft gehen, klingeln und sagen, dass ich Einblick in konsolidierte Dokumente haben möchte. Darum bin ich mit der momentanen Situation nicht zufrieden.

Sie haben gerade aus einem Dokument zitiert, das die Kommission veröffentlicht hat. Aber es gibt zwei Dokumente: 356/15 und 358/15. In diesem Dokument werden die Punkte angesprochen, die Sie gerade beschrieben haben.

Ich habe fast den Eindruck, dass Sie noch nie in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages gewesen sind.

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Doch, doch! Da war ich.

Dirk Wiese (SPD):

Auch dort muss man sich anmelden, auch dort sitzt jemand im Nebenraum, und man muss sein Handy abgeben,

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): So ist es!)

aber man darf sich Notizen machen.

(Zuruf von der LINKEN)

– Das Handy muss man abgeben. Das ist wirklich so.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Nein, stimmt nicht!)

– Man muss es abgeben. – Dort können Sie übrigens auch die Klageschrift der Bundesregierung gegen Vattenfall lesen.

In dem von mir angesprochenen Dokument – dieser Punkt ist mir wichtig – steht nicht, dass nur Minister und Beamte Zugang zu den Dokumenten haben. Es liegt allerdings nur die englische Fassung vor; darüber kann man streiten – zwei Juristen, drei Meinungen. Aber meine erste Frage lautet: Stellen Sie fest, dass es langsam in die richtige Richtung geht und dass die langsamen Schritte sowohl der Bundesregierung als auch dem Bundestagspräsidenten zu verdanken sind, die immer wieder versuchen, zu intervenieren? Die deutsche Botschaft hat zuletzt am Donnerstagabend in Washington förmlich interveniert, um noch einmal Druck zu machen. Wann hat die Linkspartei einmal einen Brief an Frau Malmström geschrieben, um Einsicht in die Dokumente einzufordern?

Meine zweite Frage, die ich Ihnen noch stellen möchte. Sollten wir in der nächsten Woche Zugang zu den Räumen bekommen, sei es im Wirtschaftsministerium, sei es im Arbeitsministerium: Versprechen Sie mir, dass wir dann zusammen hingehen und die Dokumente lesen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Zum letzten Teil Ihrer Frage: Ja. Aber ein Problem ist, dass ein großer Teil der Abgeordneten die Dokumente nicht lesen kann, weil sie kein Englisch können; die Dokumente sind nämlich auf Englisch verfasst.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Mein Gott!)

Das ist das erste Problem: Wenn wir hier Vereinbarungen treffen

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Machen Sie doch einen Sprachkurs, Mensch!)

und ein Teil der Abgeordneten faktisch ausgeschlossen ist, dann ist das nicht transparent.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Herr Ernst, es gibt Sprachkurse!)

Jetzt komme ich zu den von Ihnen genannten Stellungnahmen der Europäischen Kommission. Ja, es gibt zwei Dokumente. In dem einen sind die Verfahren geregelt; von den Verfahren sind die Parlamentarier nicht betroffen. Heute liegt eine zweite Stellungnahme vor. In dieser Stellungnahme heißt es eindeutig, dass dies nur die Ministerien betrifft, dass allerdings die nationalen Parlamente entsprechend ihrer Gesetzgebung Regelungen treffen können. Das ist interessant; denn Frau Malmström hat uns gestern etwas ganz anderes erzählt. Sie hat uns erzählt: Jetzt gibt es die große Offenheit für Abgeordnete. – Aber ich kann nicht feststellen, dass es diese Offenheit gibt.

Jetzt komme ich zur Geheimschutzstelle. Ja, auch ich bin der Auffassung: In einem Parlament muss es eine Geheimschutzstelle geben. Aber hier stellt sich doch eine ganz andere Frage: Warum werden Dokumente, die 500 Millionen Bürger in Europa betreffen, als Geheimsache behandelt und selbst vor den Parlamentariern geheim gehalten?

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist doch die Frage, lieber Kollege, die wir uns stellen müssen.

Es geht um den Umgang mit uns in diesen Verfahren. Die Verhandlungen über CETA sind lange abgeschlossen, über TTIP wird seit Jahren verhandelt, aber wir Parlamentarier werden nach wie vor von den wichtigen Dokumenten ferngehalten. Das ist ein Skandal. Ich bin der Auffassung – ich hoffe, dass ich Sie und viele in der SPD dabei als Partner habe -, dass wir uns dagegen wehren müssen. Wir dürfen jetzt nicht kuschen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings sind die Verträge nicht nur wegen der Geheimhaltung, sondern auch wegen ihres Inhalts abzulehnen.

Nun komme ich zur Union. Sie und auch die EU behaupten permanent, es gebe keinen Abbau von Standards. Aber genau das ist doch das Ziel der Abkommen. Wenn dies nicht so wäre, lieber Kollege Hauptmann, meine Damen und Herren, warum sind dann unsere Bundesregierung und auch viele in der Öffentlichkeit der Auffassung, dass bestimmte Bereiche von diesen Vereinbarungen ausgenommen werden müssen? Warum wollen wir bestimmte Dinge ausnehmen? Wenn es überall nur aufwärtsginge, müssten wir ja alle Bereiche einbeziehen, damit es besser wird als vorher. Nein, bestimmte Bereiche sollen explizit ausgenommen werden: Daseinsvorsorge soll ausgenommen werden, Kultur soll ausgenommen werden, öffentliche Wohlfahrt soll ausgenommen werden. Warum?

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Um Wettbewerb geht es!)

Wenn diese Verfahren einen anderen Charakter hätten, müssten sie nicht ausgenommen werden. Allein die Tatsache, dass wir selber dafür kämpfen, einzelne Bereiche aus dieser Liberalisierung, aus dieser Vereinheitlichung auszunehmen, ist der Beweis dafür, dass die Verträge in Richtung Abbau von Standards gehen. Deshalb ist es richtig, sie abzulehnen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Rosemann (SPD): Da geht es um Wettbewerb!)

Ich komme zum Schluss. Ich möchte Ihnen sagen: Verantwortlich für diese Abkommen ist momentan die Europäische Union, die sie verhandelt. Aber im Hintergrund stehen die europäischen Regierungen. Deshalb müssen wir in den nationalen Parlamenten Position beziehen. Wenn wir dies nicht tun, sind auch wir als Parlamente dafür verantwortlich, dass vor privaten Schiedsgerichten geklagt wird. Sie gelten nach wie vor in CETA, und wenn sie in CETA enthalten sind, haben die Amerikaner über Kanada die Möglichkeit, uns zu verklagen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass das abgelehnt wird. Wenn es nicht abgelehnt wird, wird es dazu führen, dass wir mitverantwortlich sind, wenn die deutschen und europäischen Steuerzahler vor diesen Schiedsgerichten verklagt werden und letztendlich für das zahlen müssen, was andere versauen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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